Donnerstag, 18. Dezember 2025
Wo stehe ich?
Ich bin ein erwachsener Mann. Solider Job. Klare Ziele. Eine wundervolle Zeit auf Reisen. Und Freunde, die sich wie Familie anfühlen.

Und trotzdem: Ich fühle mich oft einsamer als je zuvor.

Wo stehe ich? Am Anfang von etwas Großartigem? Am Rand von etwas, das kippt? Inmitten eines Strudels, der leise, aber konsequent zieht? Oder war das jetzt schon alles - das ganze Leben, einmal um den Block und wieder zurück?

Ich habe einen soliden Job. Der Weg dorthin war steil und steinig - aber ich bin ihn gegangen. Nicht immer geradeaus. Manchmal bin ich ausgewichen, weil der direkte Anstieg mich psychisch und körperlich überfordert hatte.

Früher hat sich das nach Niederlage angefühlt. Nach Aufgeben. Heute weiß ich: Nicht jede Kurve ist eine Schwäche. Manchmal ist sie die einzige Form von Stärke, die lange durchhält. Man muss nicht dauerhaft gegen sich selbst und die Kontrolle anderer ankämpfen. Man muss sich nur zu sich selbst bekennen. Und eine Balance finden, die nicht nur Leistung, sondern auch Gesundheit erlaubt.

Ich habe klare Ziele. Ziele, die in der heutigen Zeit fast altmodisch wirken - so angestaubt, als gehörten sie eher in eine Bibliothek als in einen Instagram-Feed.

Ich habe den Traum von einer Familie. Einer Frau, mit der das Leben nicht nur organisiert, sondern gefühlt wird. Kindern. Einem Zuhause. Grillpartys, die nicht nach Pflichtprogramm schmecken, sondern nach Sommer und Zugehörigkeit.

Ich wünsche mir in meinem Leben nur ein einziges Mal zu hören: Papa, ich hab dich lieb.

Du kleines Wesen meiner Wünsche und Gedanken - falls du mich irgendwann wirklich findest: Ich werde immer für dich da sein. Du wärst der größte Schatz meines Lebens. Nichts auf der Welt würde mich abhalten, Berge für dich zu versetzen.

Und meine liebe Frau - du bist heute noch nicht an meiner Seite. Aber auch dir verspreche ich nichts weniger als Loyalität, Liebe, Verständnis und Raum. Ich werde dich, uns und unsere Gefühle nie für selbstverständlich halten. Nicht an guten Tagen. Und erst recht nicht an schweren.

Ich habe eine wundervolle Zeit auf Reisen. Durch mein Hobby darf ich die schönsten Flecken der Erde sehen - unter Wasser wird die Welt leiser, und für einen Moment scheint alles einfach. Kein Lärm. Kein Druck. Kein Sein müssen. Keine Rollen. Nur Atem, Tiefe und dieses staunende Gefühl, dass es noch so viel gibt, das größer ist als der Alltag.

Diese Zeit ist wichtig. Weil Zeit heute oft nicht vergeht, sondern verschwindet. Sie gleitet uns durch die Finger, während wir meinen, wir hätten sie im Griff. Und irgendwann merken wir: Wir haben viel geplant - aber zu wenig gelebt.

Kostbar sind Menschen, die trotz voller Kalender Platz machen für das, was ihnen wirklich wichtig ist. Und schmerzhaft ist die Erkenntnis: Manche sagen „bald“, „vielleicht“, „mal schauen was dann ist“ bis irgendwann nur noch „nicht“, „nein“ oder irgendwelche Ausreden übrig bleiben.

Menschen, die dich wirklich sehen, nehmen dir keine Zeit. Sie geben dir welche zurück. Sie nehmen Last von deinen Schultern - oder sie bieten an, eine mitzutragen. Nicht, weil sie müssen. Sondern weil sie wollen.

Und genau da beginnt der Widerspruch: Ich habe so vieles, das mich tragen sollte. Und doch reicht manchmal ein einziger Mensch, um all das ins Wanken zu bringen.

Ich stehe am Scheideweg. Lasse ich los - oder halte ich fest? Lasse ich einen Menschen, den ich liebe, los, weil er mir nicht geben kann, was ich brauche?

Ich weiß, dass es mir nicht gut geht. Und ich weiß, dass diese Art von Nähe, die gleichzeitig Entfernung ist, auf Dauer nicht gut tut. Und trotzdem fühle ich eine Verbundenheit, wie ich sie so noch nie kannte.

Es schmerzt. Jeden Tag.

Ich öffne die Augen und diese Person ist in meinen Gedanken. Ich schließe sie und sie ist in meinen Träumen. Ich kann nicht entfliehen. Und ich will es manchmal auch nicht, weil da dieses besondere Etwas ist: dieses Gefühl von Liebe und Vertrautheit, das sich nicht einfach wegdiskutieren lässt.

Und jeden Tag versuche ich mich zu überzeugen, dass ich mir selbst mehr Wert zuschreiben muss. Dass ich Grenzen brauche. Dass ich nicht von Brotkrumen leben darf, nur weil ich einmal ein ganzes Festmahl gerochen habe.

Vielleicht ist das Besondere nicht der Schmerz. Vielleicht ist es das, was trotz Schmerz noch bleibt: dieses Gefühl von Vertrautheit. Dieses leise „Da ist etwas“, das nicht nach Logik fragt.

Aber ich will nicht mehr betteln um Nähe. Ich will nicht mehr hoffen wie auf Wetter. Ich will Klarheit - nicht, um zu gewinnen, sondern um atmen zu können.

Also lasse ich die Tür offen. Nicht sperrangelweit. Nicht, um darin zu frieren. Sondern so, dass ich sie jederzeit schließen kann, wenn ich merke, dass ich wieder kleiner werde.

Wenn du kommen willst, dann komm ehrlich. Mit Zeit. Mit Worten, die stehen bleiben. Mit Taten, die nicht nur für heute gelten.

Und wenn nicht - dann gehe ich weiter. Nicht verbittert. Nur wach.

Wo stehe ich? Zwischen Hoffnung und Grenze. Und das ist zum ersten Mal kein Widerspruch mehr.

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